29. Juli 2011

Étape 5 Lannemezan - Bagneres de Luchon

Es hat schon etwas Fürstliches, unser Chateau Barbé in Lannemezan. Nicht nur, dass es im 18ten Jahrhuntert von Napoleon III erbaut wurde, nicht nur, dass uns ein weitläufiger Park von den Normalen trennt und auch nicht, weil unser herrschaftliches Zimmer und der königliche Ritterspeisekaminsaal den Charme der Aristokratie versprühen. Nein. Es liegt auch am Kribbeln der Vorfreude.

Vorfreude auf die Pyrenäen.


Gestern bringt uns der Zug von Orange nach abenteuerlicheen 6 Stunden quer durch Südfrankreich in dieses kleine Städtchen, von dem wir Dank Dauerregen nichts sehen. Dabei haben sie schon begonnen, die Kreisverkehre mit Tour de France-Gelb zu schmücken - immerhin wird die große Schleife auch 2011 durch Lannemezan führen.

Statt dessen haben wir es uns in unserem rosa Zimmer gemütlich gemacht, ließen uns gestern abend vom Hausherren aufs Köstlichste bewirten, leerten eine Flasche superben Rotwein und stehen früh auf.

Es regnet noch immer. Hat uns das Alpenpech also wieder.


Als wir losmachen ist es ein feiner, fieser, kalter Srühregen, der mich zur Weißglut bringt. Sofort dringt die Kälte wieder in alle Glieder: Die Pyrenäen sind erheblich kühler, als die Alpen. Das stand zwar schon so in meinem "Die Pässe der Tour de France"-Buch, aber nun habe ich es am eigenen Leib.

Dafür sind die Straßen schön leer. Aber ehrlich, dann lieber im Clinch mit den Truck stehen, als kaltes Spritzwasser in der Kimme!


Unsere heutige Etappe soll uns über den ersten kleinen Pyrenäenpass bringen, sozusagen zum Schnuppern - und eine Abstecher nach Spanien ist auch drin. Tradition bei der Tour de France, dass man auch seinen Nachbarstaaten huldigt. Und wir huldigen heute dem Land von Indurain und Contador.

Allerdings motzen wir mehr, als dass wir huldigen: Das Wetter ist einfach zu schlecht.

Ich bremse Flow immer wieder. Da wir heute eh keine 90 Kilometer unter die Pneus bekommen, kann er es auch langsam angehen lassen. Er stimmt zu.


Es geht zunächst noch durch ebenes Land: Lannemezan liegt kurz vor den Pyrenäen. Was muss das für ein herrlicher Anblick sein, auf das Band aus Berg zu fahren? Gegen die ruppige Felswand?

Wir sehen nur Nebelsuppe, können die Pracht der Gipfel kaum erahnen. Ein Jammer!

Von den Bergen bekommen wir nur die Sockel mit, viel Wald, sanfte Hügel und alles andere als die nackten, brutalen Felsspitzen, die ich aus den Tour-Übertragungen oder Radsportbüchern kenne. Irgendwie enttäuschend. Vergeudeter Tag, so fühlt es sich jedenfalls an.

Langsam rücken dann auch die Berge näher, das Tal, durch das wir fahren, wird immer enger. Dann und wann führt uns eine kleine Brücke über ein noch kleineres Rinnsal - die Haute Loire. Hier entspringt also die Loire, dieser mächtige, lange Strom, den ich eher in Mittelfrankreich vermutet habe. Ein Pyrenäenfluss.

Leicht geht es bergan, aber fast nicht zu spüren. Würde mir mein Garmin nicht anzeigen, dass wir stetig an Höhe gewinnen, ich würde es nicht merken. Ein Rückenwind schiebt uns komfortabel an - quasi als Wiedergutmachungsangebot vom Wettergott. Aber der ist heute bei mir unten durch!


Ich trete hinter Flow her, aber auch meine Lokomotive scheint heute nicht allzu motiviert zu sein: Noch zu frisch sitzen die anstrengenden Etappen, die wir am Anfang unserer Tour de France hatten, noch zu eindrucksvoll können wir uns an das Zittern und Frieren erinnern. Nein, Flow fährt heute mal keinen 40er Schnitt in der Ebene. Sagen wir, 35.



Die Pyrenäen sollen anders als die Alpen sein, sagt mein Reiseführer. Nur wie? So richtig erkennen kann man in dieser diesigen Nebelsuppe nichts, die Wolken hängen tief und allenfalls lassen die bewaldeten Hänge erahnen, welche Pracht sich darüber aufzutürmen vermag - doch wohlan, sehen kann ich nichts.


So verlaufen die ersten beiden Stunden recht ereignisarm: Wortlos kurbeln wir durch das Tal, dann und wann blicke ich auf, suche nach Hervorstechendem, nach einem "Ahh" oder einem "Ohh", aber nein, heute verweigert sich das Grenzgebirge zu Spanien, lässt uns nicht Teil haben an seiner viel gerühmten Pracht.



Dafür sind wenigstens die Straßen gut: Perfekter Asphalt lässt es gut rollen. Da der Regen nicht ganz so stark ist, wie der, der uns am Bonette fast die Etappe gekostet hätte, kommen wir erstaunlich gut voran.

Aber die Hoffnung, dass diese heutige Etappe ein herausragendes Stück dieser meiner Tour de France werden wird, habe ich längst schon aufgegeben: Zum Einen weil ich weiß, dass hier heute sowieso kein spektakulärer Gebirgspass auf uns wartet - zum anderen, weil unsere Stimmung des Regens wegen auf dem absoluten Tiefpunkt ist. Nein, halt, das stimmt nicht - tief ist sie nicht.

Es ist gar keine Stimmung vorhanden.


Der Regen nervt! Wie gern denke ich an die Sommertemperaturen vor zwei Tagen am Mont Ventoux zurück! Schweißgebadet in kurzer Kombination fahren - ein Traum! Statt dessen stecke ich, nass bis auf die Knochen, in völlig wässrigen Klamotten fest, ich friere, die kalte, dreckige Spritzwassersuppe läuft mir den Rücken hinunter in meine Kimme und zu allem Überfluss friere ich vorn auf der Brust, während ich hinten unter dem Rucksack einen Wärmestau habe.

Wir sind schon echt arme Schweine!


Dann passiert endlich etwas: Es wird ganz wenig, wirklich nur ein wenig heller.
Der Regen, er lässt ein ganz kleines bisschen, wirklich nur ein bisschen nach.
Und wir fahren durch einen immer werdenden Trichter aus uns umringenden, grünen Bergen in ein Tal hinein, dass wie mit einem Tranchiermesser in den Fels geschnitten zu sein scheint.

Ehe wir es uns versehen, rücken die Steinwände bis auf wenige Meter an uns heran - ein Canyon! Und dann ... dann ...


... sind wir auf einma in Spanien!

Hach, so schnell geht das! Gott segne die EU - keine Grenze, keine Warnschilder, kein Häuschen - nichts. Nur ein Schild, "Espana". Fertig. Hier halten wir an. Und ich glaube, hier ist es, dass Flow und ich die ersten Worte seit Abfahrt in Lannemezan miteinander sprechen:

"Ich muss mal pissen."
"Ich auch."


Wir machen ein Foto. Ich drücke mir ein Gel rein.
Und als wir wieder auf unseren Rennrädern sitzen und versuchen, die ersten Meter auf spanischem Boden bewusst wahrzunehmen, irgendwie zu erraten, was sich hier irgendwie vielleicht verändert haben könnte, da merke ich es: Das Wetter!

Es regnet nicht mehr.
Es wird ein, zwei Grad wärmer.
Und wie mir scheint, dringt nun auch etwas mehr Sonne durch die Wolkendecke.

Sieh an - Viva Espana! Willkommen im Land des Schönwetters!


Die erste Siedlung die wir erreichen - Bossost - wirkt irgendwie wie eine Mischung aus Frankreich und Spanien. Die Schilder sind zweisprachig, offensichtlich fahren die Franzosen hier her um einzukaufen. Kleine Pensionen locken Übernachtungsgäste an, überproportional viele Schinkenläden übertreffen sich mit Lobpreisungen für ihren Schinken.

Wir stoppen kurz.

Während Flow sich Karten kauft, die er von hier abschicken will, lass ich mir von einer Dame in einem der Jambon-Läden 5 dicke Scheiben Schinken abschneiden.


Eine Wohltat! Ah, so aromatisch, so herrlich - kein Vergleich zu der Importware oder den nachgemachten deutschen Schinken. Keine Ahnung, welche Art von Schinken ich hier gerade esse, es kann auch sein, dass es nur mein ausgehungerter, von süßem Power-Gel verklebter Magen ist, aber ich habe das Gefühl, hier gerade die beste Fleischmahlzeit meines Lebens zu futtern.

Nach 20 Minuten ist die kuze Pause vorbei - direkt am Kreisverkehr kurz vor dem Ortsausgangsschild von Bossost steht das Schild, das den Höhepunkt der heutigen Etappe ankündigt: El Collado Portilhon.

Oder Col de Portillon, wie ihn die Franzosen nennen.


Dieser Pass taucht nicht in den Tour de France-Annalen auf. Warum auch? Der etwa 8 Kilometer lange Anstieg zum 1.300 Meter hohen Passgipfel überbrückt nur 500 Höhenmeter von Bossost aus. Für das Profi-Peloton stellt das hier allenfalls eine kleine Welle da, ein Vorspiel auf Luz Ardiden oder den Aspet, Hautacam oder Plan d´Adet.

Für uns aber ist es der bescheidene, vielleicht der vorsichtige Auftakt der Bergarbeit hier in den Pyrenäen. Da mir in Büchern und Blogs dieses Gebirge als sehr wild und hart beschrieben wurde, dachte ich mir bei der Planung, es wäre schlau, als Einstieg - quasi zum Kennenlernen - diesen eher kleineren Pass einzubauen.


Hatte ich "kleiner Berg" gesagt? Die erste Rampe trifft uns zunächst wie ein Schlag in die Magengrube. Wäre es nicht kalt und nass, ich hätte schwören können, meine Laufräder steckten in flüssigen Asphalt.

Hier geht es gleich mal hart zur Sache und der kleine Spanier trumpft, ähnlich wie in Alpe d´Huez, mal locker mit einer 10%-Rampe zum Aufwärmen auf. Schweigen im Walde.



Weist der Mont Ventoux "nur" einen duchschnittlichen Gradienten von 7,1% auf, können die 8.600 Meter, die es hier jetzt hinauf zum Portillon geht, mit satten 8,6% aufwarten. Und das eine kann ich jetzt schon, nach wenigen Metern sagen: Mehr als 1% im Schnitt mehr ... tut ganz schön weh.

Wie immer lässt sich Flow schnell zurück fallen, das alte Kurbelspiel beginnt.

Irgendwo in der zweiten Serpentine liegt ein Schäferhund herum. Er bewacht die Einfahrt zum Gehöft. Gelangweilt verfolgt er mich mit seinem Blick. Ich sage "Hóla, Senor Hund." und kurbele vorbei.


Meter um Meter geht es wieder nach oben. Nach den beiden eher ereignislosen Tagen nach der Eroberung des Ventoux heiße ich die Steigung willkommen. Wieder knackt es mächtig im Gebälg, wieder strenge ich mich an - nach dem Langweiligen Kurbeln durch die flachen Täler im Regen tut mir die Langssamkeit in der Vertikalen richtig gut.

Die Aussicht ist grandios, wenn auch von Nebel getrübt. Ich genieße die Luft hier oben und freue mich, dass es auch weiterhin nicht regnet.


Der feuchte Nebel kondensiert auf meinen Brillengläsern, ich atme schwer, mittlerweile habe ich aber auch kein Problem mehr mit der Kälte: Wie ein Reaktor glühe ich, die Hitze wärmt mich wohlig, Schweiß läuft mir innen an Trikot und Windjacke hinab.

Wie weiße Fetzen hängt mein Atem mir vor dem Mund. Der Portillon ist alles andere als eine kleine Welle. Nein, das hier ist richtig harte Arbeit!


Mittendrin haben sie einen kleinen Parkplatz gebaut, an dem ich anhalte, um zu pinkeln. Wenig später zieht schwer atmend Flow an mir vorbei, ich schüttle ruhig ab. Flow ist schon einige hundert Meter entfernt, als ich gemächlich wieder aufs Rad steige und endlich meinen Blick vom Tal reißen - immerhin wird es der letzte Blick sein, den ich auf Spanien werfen kann.


Ich kann mich noch erinnern, als ich die Streckenplanung für den Pyrenäen-Teil dieser Tour gemacht habe. Ich hatte mir bei Amazon das Buch "Die härtesten Anstiege der Tour de France" gekauft, die spannendsten Pässe markiert und dann grob versucht, Start- und Zielorte anhand maximaler Tagesleistungen von 130 Kilometern zu identifizieren.

Leider blib für die Pässe in den Ostpyrenäen keine Zeit - denn Flow liegt viel daran, nach den Bergetappen noch die Weinanbaugebiete an der Gironde zu sehen.

So aber werden wir nicht die Pässe Ax-3-Domaines, Plateau de Beille und andere sehen können.

Aber Tourmalet, Col de Vars oder Peyresourde - die liegen nämlich morgen vor uns - sind ja auch was. So löse ich mich von diesen allzu theoretischen Gedanken und widme mich wieder dem Hier und Jetzt - es liegen noch einige hundert Höhenmeter vor mir, Flow ist lange schon außer Sichtweite und langsam komme ich der Wolkenuntergrenze näher: Die Wolkendecke zu durchstoßen könnte interessant werden.


Mittlerweile ist es einige Grad kälter geworden, dafür regnet es nicht mehr. Die Steigung genieße ich - es ist wie nach Hause kommen, wie, als würde ich das schon mein Leben lang machen, als hätte ich niemals etwas anderes gemacht, als nach oben zu fahren.

Mich stören nicht die 11 km/h, mit denen ich hier die Kilometer entlang krieche.
Es ist ein bisschen wie die Entdeckung der Langsamkeit.
Die Essenz der Vertikalen.
Ein Traum.

Der Nebel dämpft alle Geräusche. Alles, was mehr als 2 Meter um mich herum geschieht, geschieht wie durch einen Schleier - Video und Audio abgedreht.


Es folgen die beiden letzten Kurven. Hier zieht es noch einmal hart an. Als ich die erste Kurve durchfahre, kann ich einige dutzende Meter unter mir die Rampe von eben erkennen: Ich blicke herab auf das "Vorhin". Auch diese Poesie liebe ich so am Bergfahren - das "Vorhin", das "Gleich".

Ich kann es sehen.
Das Eine erfüllt mich mit Stolz.
Das Andere mit Ehrfurcht.


Seltsam verwunschen sieht der Wald aus. Die permanente Feuchtigkeit hat hier Nebelwälder von ganz eigener, bezaubernder Schönheit wachsen lassen. Mosse und Farne wuchern auf mächtigen Nadelbäumen, wie Watte umströmt dichter Nebel den Wald, fernes Klacken und Knarzen schafft eine Athmosphäre, die mich einfängt, wie einen einsamen Ritter auf dem Kreuzzug durchs Drachenland.



Die letzte Kurve genieße ich - die letzten Meter Spanien, die letzten Meter in Ruhe. Die letzten Meter allein. Rechts unter mir prangt Spanien hinter dem Zauberwald, 500 Höhenmeter tiefer gibt es den leckeren Schinken - Adios, Espana. Es war ein kurzes, aber es war ein schönes Vergnügen.

Dann biege ich um die Ecke, Vive la France!


Das Siegesschild grüßt mich, hinten im Nebel steht Flow und kommt gerade vom Pinkeln. Wieder mal auf dem Dach des Berges, wieder mal ganz oben, wieder mal die Steigung besiegt, die Vertikale gerockt - es wird zur Sucht, ja, zur Sucht.

Obwohl man es uns durchnässten, frierenden undzitternden Gestalten hier oben im undurchsichtigen Nebel nicht ansehen mag: Uns hier durch den kalten Niesel hochgeschraubt zu haben, ist für uns einfach das Größte!


Das letzte spanische Schild, dann fahren wir wieder auf französischem Boden. Heute geht es in den legendären Skiort Bagneres de Luchon - Stammort der Tour de France, Ausgangsort für Etappen hoch nach Luz Ardiden oder Plateau de Beille. Leider nicht für uns - aber ich freue mich darauf, diesen Ort kennenzulernen.

Ob hier auch eine Athmosphäre herrscht, wie im radsportverrückten Alpe d´Huez?



Dann stürzen wir uns wieder in die Abfahrt. Es geht fast 15 Kilometer steil bergab. Rasant wie eh und je schießen wir auf den Geraden hinab, Adrenalin schießt durch die Adern, Impulse schießen von den Augen durch die Nerven in unser Gehirn.

Schnell reagieren.
Dosiert bremsen.
Den Belag lesen.

Voraus schauen - wann kommt die Kurve? Wie sieht die Straße aus? Ist das da ein Motorengeräusch hinter mir? Aufpassen, Alter, ja aufpassen!


War Frankreich vor einigen Stunden noch nass und glitschieg, und freuten wir uns noch in Spanien über die Sonne, so haben wir nun, wieder zurück in Frankreich, beides: Die Straßen sind trocken, was die radsante Abfahrt erheblich erleichtert, der kalte Fahrtwind der bis zu 70 km/h schnellen Reise ins Tal wird von der immer wärmer scheinenden Sonne gewärmt - und so ziehen sich die Kilometer für mich wie zuckersüßer rosaroter Kaugummi in die Länge. Es ist eine Sinfonie. Es ist wunderschön.

Grünes, sattes, giftgrünes, wunderschönes Tal.

Nach 20 Minuten sind wir unten. Und angekommen.


Wir fahren zunächst durch menschenleere, gepflegte Seitenstraßen, neben uns Villen und Zuckerbäckerwohnhäuser. Mit jedem Meter kommen mehr Menschen ins Bild. Kommt mehr Leben in den Ort. Werden die Straßen breiter, rücken die Häuser näher - Bagnere de Luchon, das tausende Jahre alte Heilbad, das schon die Römer geschätzt haben.

Ob es uns heute die selbe Entspannung zukommen lassen wird?


Wir logieren in einem 3-Sterne-Hotel. Nichts Spektakuläres, nichts Außergewöhnliches. Ich beschließe, mich in die Wanne zu legen. Während Flow die Stadt erkundet, lasse ich mir heißes Wasser ein, weiche meine kalten, harten Schenkel ein und genieße die Stille.

Nach fast einer Woche ist es für mich eine Wohltat, auch mal kurz allein zu sein.
Ich bin sicher, Flow sieht das genauso.

Später waschen wir im Salon unsere Klamotten.
Gehen essen.

Und liegen sehr früh im Bett. Denn wir wissen: Morgen, morgen wir der Tag der Tage. Nachdem uns das Wetter um die Königsetappe am zweiten Tag gebracht hat (Col de Vars, Izoard und Lautaret waren geplant), haben wir morgen nun die letzte Chance, doch noch die Extremerfahrung einer Etappe mit 3 Pässen zu machen: Morgen stehen Peyresourde, Aspin und der legendäre Tourmalet auf dem Programm.

Und da will ich um jeden Preis fit sein.
Will ausgeschlafen sein.
Will ... WAS ZUR HÖLLE IST DAS?


Es ist 23 Uhr. Draußen ertönt Getrommel, Fanfarenzüge und Spielmänner, Reiter und Verkleidete ziehen genau an unserem Fenster vorbei. Flow reibt sich ersten Schlaf aus den Augen und steht mit mir am Fenster: Unten feiern Sie ausgelassen. Feuerspucker blasen explodierende Fontainen in den Nachthimmel. Das Spektakel nervt. Aber es fesselt mich auch.

Heute war es wenig spektakulär. Eine ruhige Etappe. Aber hey - es muss nicht immer knallen. Ein leiser, ein seichter Einstieg in die Pyrenäen. Ganz okay.


Flow verzieht sich unter seine Decke. Vergräbt das Gesicht unter seiner Schlafbrille und steckt sich doppeltes Ohropax in die Gehörgänge. Ich kann auch im Flugzeug an den Turbinen schlafen - und so singen mich die Chöre, trommeln mich die Trommler und feuern mich die Spucker in einen bunten Traum voller Vorfreude auf die Etappe morgen.

Auf DIE Etappe dieser Reise.

Ich hoffe auf schönes Wetter.
Ich wünsche mir einen blauen Himmel.
Und Wärme.

Wird die Königsetappe meiner Tour de France auch Kaiserwetter haben?